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Albrecht von Haller gilt als der "Entdecker der Alpen". Sein Gedicht Die Alpen leitete ein radikales Umdenken ein. Vor Haller galten die Alpen als lästige Hindernisse auf dem Weg zwischen Süden und Norden, als gefährliche Wildnis und ihre Bewohner als unzivilisiert und rückständig. Hallers Gedicht preist dagegen die Schönheit der Berge und die natürliche Einfachheit ihrer Bewohner. Die Alpen wurde zum Vorbild einer wahren Flut von Landschaftsschilderungen, die in schwülstiger Sprache von der Erhabenheit der wilden Natur schwärmen. Es stand damit auch Pate für die erste Welle des Alpentourismus: Gelehrte aller Art, Naturforscher, Dichter und Künstler begannen sich für den bisher gemiedenen Alpenraum zu interessieren und gegen Ende des 18. Jahrhunderts gehörte es zum guten Ton, eine "Schweizer Reise" gemacht zu haben. Hallers Begeisterung für das "einfache Leben auf dem Lande" wurzelte in seiner Abneigung gegen die "Sittenverderbnis" in der Stadt; dass er sich damit in seiner Heimatstadt Bern wenig Freunde machte, erstaunt deshalb nicht.
Johann Caspar Lavater gilt als einer der wichtigsten Denker der Aufklärung in der Schweiz. Er war einflussreiches Mitglied der Helvetischen Gesellschaft. Seine Schweizerlieder wurden in diesen liberalen Kreisen fleissig gesungen. Lavater pflegte Kontakte mit Herder, Goethe und Hamann. Als Theologe versuchte er die christliche Botschaft rational (mit Argumenten der Vernunft) zu begründen. Er vermittelte auf undogmatische Art zwischen pietistischen (frommen) und ästhetischen Positionen und übte damit einen gewissen Einfluss auf die Epoche des Sturm und Drang aus.
Seinerzeit hoch eingeschätzt, inzwischen aber als weitgehend wertlos eingestuft werden seine Versuche, aus der Physiognomie [äusseres Erscheinungsbild: Gesichtszüge, Körperformen] eines Menschen auf dessen Charakter zu schliessen.
Johann Heinrich Pestalozzi gilt als Vater der Volksschule und wurde als Pionier neuer Erziehungsmethoden weit über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt. Sein Roman Lienhard und Gertrud wurde begeistert aufgenommen. Er schildert den jämmerlichen moralischen Zustand in einem verarmten Dorf (am Beispiel des Alkoholikers Lienhard), aber auch Wege aus dem Elend (am Beispiel der Gertrud) und lässt den Lehrer seine Ideen zur Schulreform (Motto: Selbsttätigkeit, ganzheitliches Lernen in der Verbindung von Hand, Herz und Kopf statt einseitiges Einpauken von praxisfernem Wissen) verfechten.
eigentlich Albert Bitzius * Murten 4.10.1797, + Lützelflüh BE 22.10.1854 Pfarrer im Emmental; aus alter Berner Patrizierfamilie |
Romane:
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Erzählungen:
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Jeremias Gotthelf verstand seine Literatur als Fortsetzung der Seelsorge mit anderen Mitteln. Er gilt als einer der bekanntesten Schweizer Schriftsteller und war noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts sehr populär (Verfilmungen und Hörspiele). Seine Erzählungen und Romane spielen fast ausschliesslich in der Bauernwelt und sind sprachlich stark mundartlich geprägt. Jeremias Gotthelf formulierte harte Zeitkritik aus konservativer religiöser Sicht.
Mehr: Jeremias Gotthelf: Leben und Werk
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Gottfried Keller stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, verlor früh seinen Vater und wollte zuerst Maler werden. 1845 beteiligte er sich am zweiten Freischarenzug. Durch die Auseinandersetzung mit der Philosophie von Ludwig Feuerbach wandte er sich von der Romantik ab und entwickelten einen eigenen realistischen Stil. Die Novellenzyklen Die Leute von Seldwyla und Sieben Legenden nehmen die Alltagswelt der Kleinbürger und Spiesser aufs Korn., die späteren Novellen behandeln historische Stoffe. Gottfried Kellers idealistische Optimismus der Jugendjahre wich im Alter grimmig-skeptischer Zeitkritik.
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Conrad Ferdinand Meyers Geschichtsbild war durch Jakob Burckhardt geprägt, seine Figuren verkörpern deshalb oft das Renaissanceideal eines ausserordentlichen (nicht unbedingt moralisch guten) Menschen. In Jürg Jenatsch zeigt Meyer nach einer eigenen Bemerkung den "Konflikt von Recht und Macht, von Politik und Sittlichkeit" auf.
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Die Heidi-Geschichten wurden bereits im ausgehenden 19. Jahrhunderten ein Welterfolg und sie sind auch heute noch bei den Kindern beliebt - sowohl in Buchform wie auch als Hörspiel und Film. Das Waisenkind Heidi, wird ihrer Tante bei der eigenen Karriere lästig, deshalb schiebt sie es zum kauzigen Alm-Öhi ab. Dieser will das aufgeweckte Naturkind von der Bosheit der Welt abschirmen und schickt es mit dem Geissenpeter und den Ziegen auf die Alpweiden statt in die Schule. Die (allzu harmonische) Idylle findet ein jähes Ende, als die Tante wieder auftaucht und Heidi nach Frankfurt bringt, wo sie der gelähmten Klara Gesellschaft leisten und etwas lernen soll. Heidi lernt dank der Grossmutter von Klara lesen, aber sie verkraftet den Kontrast zwischen dem engen Korsett in der grossbürgerlichen Atmosphäre der Grossstadt und der einfachen Alphütte nicht, erkrankt an Heimweh, "jener Krankheit, die ... als den Schweizern eigenes Leiden gilt."1) Die Heidi-Geschichte versucht Halt zu geben in einer Welt, die durch raschen gesellschaftlichen Wandel in Unordnung geraten ist und die Menschen zu tiefst verunsichert - und eben deshalb hat sie auch heute wieder Hochkonjunktur. Ob die Rückbindung an die heile Alpenwelt allerdings die damaligen wie die heutigen Probleme zu lösen vermag, darf an dieser Stelle bezweifelt werden.
1) Ulrich Im Hof: Mythos Schweiz. Identität - Nation - Geschichte 1291 - 1991.
Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 1991, S. 109;
vgl. J.J. Scheuchzer: «Von dem Heimweh» in:
Beschreibung der Natur-Geschichten des Schweizerlandes, 1. Teil. Zürich 1706;
Fritz Ernst: Vom Heimweh. Zürich 1949;
Urs Boschung: Heimweh. Die Schweizerkrankheit, in: Schritte ins Offene. Zürich 1988/1, 17
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Heinrich Federer wurde durch ein schweres Asthmaleiden 1900 gezwungen, seinen Beruf als kath. Priester aufzugeben. Seine Romane und Geschichten strahlen heiteren Lebensmut aus.
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Robert Walser wurde 1929 wegen psychischer Probleme und Selbstmordversuchen in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Das Werk des Lyrikers und Erzählers wurde erst nach 1945 neu entdeckt, er gilt als Vorläufer Franz Kafkas. Seine Helden sind moralisch integer, sie werden mit einer abgestumpften, kommerzialisierten Gesellschaft konfrontiert.
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Wenige Monate, nachdem Robert Walser von der psychiatrischen Klinik Waldau (Bern) in diejenige von Herisau verbracht worden war, wurde Friedrich Glauser 1933 wegen Morphinabhängigkeit in die Waldau eingeliefert. Dort entstand sein Kriminalroman Wachtmeister Studer. Er wurde schon früh vom Österreicher Leopold Lindtberg verfilmt, der vor den Nazis in die Schweiz geflohen war. Wachtmeister Studer ist nicht einfach eine Kopie berühmterer Detektiv-Vorbilder, kriminalistisch ist er zwar solide ausgebildet, aber das zählt nicht. Was er sucht, ist die Wahrheit hinter einem kleinen Mord in einem fast schon langweilig gewöhnlichen Schweizer Dorf, und er findet sie weniger mit kriminalistischem Scharfsinn als in einem eigenartigen fiebrigen Traumzustand: es ist nicht bloss die Wahrheit über ein kleines Verbrechen, es ist die gefährliche Wahrheit über die Fäulnis der ganzen Gesellschaft, eine Wahrheit, die eigentlich gar nicht ans Licht kommen darf, weil sie in höchste Gesellschaftskreise hineinreicht. Schon einmal hat er daran gerührt, als er Politikern auf der Spur war, die in eine Bahkaffäre verwickelt waren - das hat ihn die Karriere gekostet und er musste wieder ganz unten als einfacher Fahnder anfangen. Glauser lebte jahrelang unter kleinen Straffälligen und er zeigte schonungslos auf, wie sie für die Machenschaften der Einflussreichen, die sich gegenseitig decken, büssen müssen. Es blieb nicht beim Film und populären Radio-Hörspielne, Friedrich Glauser und sein Wachtmeister Studer haben auch Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch beeinflusst. Wer weiss, welche Wendung die Schweizer Literatur ohne ihn genommen hätte.
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Meinrad Inglin zeichnete das Volksleben realistisch, aber hintergründig. Sein Schweizerspiegel ist auch ein Beitrag zur Geistigen Landesverteidigung gegen die Bedrohung durch Nazi-Deutschland.
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Max Frisch
"Was hat Max Frisch in unserem Lande angerichtet? - Er hat die Atmosphäre verändert. Das ist, was ihm viele bis heute nicht verzeihen können ... Nichts, was er je im einzelnen gesagt hat, würde man ihm auf die Dauer krummnehmen. Aber was er mit dem Klima anstellte, das ist eine andere Sache. Da nützt es nämlich nichts, ihn einfach nicht zu lesen. Selbst überhaupt keine Bücher zu lesen bietet längerfristig keinen Schutz gegen eine veränderte Atmosphäre." (Peter von Matt, Die tintenblauen Eidgenossen, S. 225).
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Friedrich Dürrenmatt beschäftigte sich zeitlebens mit der Frage nach Recht und Gerechtigkeit und hatte dabei eine ziemlich pessimistische Sicht unserer Gesellschaft. Sein Motto: "Eine Geschichte ist dann zu Ende erzählt, wenn sie den schlimmst möglichen Ausgang genommen hat".
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Peter Bichsel beobachtet das kleinbürgerliche Alltagsmilieu. In der Erzählung Ein Tisch bleibt ein Tisch versucht ein alter Mann seiner Einsamkeit zu entfliehen, indem er eine eigene Sprache erfindet - dies beflügelte ihn zunächst, "aber dann verstand er die Leute nicht mehr, aber viel schlimmer war, dass sie ihn nicht mehr verstehen konnten, und deshalb sagte er nichts mehr und er war wieder allein und er langweilte sich. Er hatte zwar alles verändert, aber er hatte vergessen, es mit den andern zusammen zu ändern, und ändern kann man Dinge nur gemeinsam." Peter Bichsel erhielt 1970 den Deutschen Jugendbuchpreis.
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© 2003 Markus Jud, Luzern
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Friedrich von Schiller: Drama Wilhelm Tell |
Allgemeine Geschichte der Schweiz |